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«Und bist du nicht willig, brauche ich Geduld»

Gemeinsam mit der Elternvereinigung Schaan hat der Verein Kinderschutz.li am 30. März Maren Tromm, Gründerin der Elternschatzkiste, Coachin und Podcasterin zum Elternvortrag über «Neue Autorität im Erziehungsalltag» eingeladen. Das Ziel war es, den Eltern und Fachpersonen wertvolle Tipps mit nach Hause zu geben, die sich im hektischen Familienalltag anwenden lassen.

Die Aula der Primarschule Schaan ist an diesem Donnerstagabend gut gefüllt. Maren Tromm verbindet in ihrem Elternvortrag das Konzept der «Neuen Autorität» mit praktischen Tipps und ersten Schritten, die auch in der Realität funktionieren.

Die «Goldene Mitte» der Erziehungsstile

Das Konzept der «Neuen Autorität» lässt sich theoretisch zwischen dem autoritären Erziehungsstil wie er in den 50er und 60er Jahren üblich war und der antiautoritären Erziehung, die vor allem in den 70er und 80er Jahren Einzug ins Familienleben fand, einordnen. Es herrscht nicht mehr die starke hierarchische Ordnung mit den Eltern an der Spitze, die Kontrolle ausüben und Fehlverhalten bestrafen, aber die Eltern bleiben dennoch nicht passiv, stellen Regeln auf und überlassen die Kinder nicht sich selbst. Eine gesunde Mitte soll die Grundbedürfnisse der Kinder abdecken und sie trotzdem frei entfalten lassen.

Die «Neue Autorität»: Grosse Freiheit innerhalb eines festen Rahmens

«Ich bin da, und ich bleibe da» so beschreibt Haim Omer der Begründer des Konzepts die Grundidee. Das Konzept der Neuen Autorität spricht von Begriffen wie «Beziehung», «Sicherer Hafen», «Beharrlichkeit und gewaltloser Widerstand», «Präsenz», «Netzwerk und Kooperation» und «Transparenz und Öffentlichkeit».

Bei der «Neuen Autorität» spürt das Kind, dass sich die Eltern für seine Welt interessieren. Sie sind da, wenn es gut läuft und sie sind da, wenn es schwierig ist. «Heute kommt es vor, dass Eltern «präsent sein» mit dem GPS-Tracker verwechseln. Es geht, um Interesse am Kind zu zeigen und nicht um Kontrolle», sagt Tromm.

Das Kind spürt so, dass es den Eltern wichtig ist und die Eltern auch genau deshalb an schwierigen Themen dranbleiben und gemeinsam mit dem Kind Lösungsansätze suchen. Eltern versuchen nicht um jeden Preis Diskussionen zu gewinnen. Gespräche dürfen aufgeschoben werden, aber nicht aufgehoben.

Ein Kind möchte mit offenen Armen empfangen werden, auch wenn es mal einen Fehler macht. Es wünscht sich jemanden, der es ermutigt und tröstet. Jemand, der an es glaubt, ihm etwas zutraut und es auch machen lässt. Nur so lernt es, Hindernisse zu überwinden. Und das ist die Aufgabe der Eltern im Sinne der «Neuen Autorität».

Die Neue Autorität im Realitäts-Check

«Eltern versuchen häufig alles. Sie schimpfen, sie verbieten, sie strafen und sie belohnen. Und doch reagiert das Kind mit der kalten Schulter, schreit, weint oder verweigert», so Tromm. Hier liegt es oft an der Erwartungshaltung der Eltern. Sie glauben, dass das Kind versteht, warum es den Eltern wichtig ist, dass es die Jacke aufhebt, Ordnung haltet, den Fernseher ausmacht usw. «Sie glauben, das Kind könne sich in sie reinversetzen. Aber so ist es nicht. Kinder leben im Moment. Sie verstehen die Erwartungen der Eltern häufig nicht und handeln lustorientiert», so Tromm.

Hinter jedem Verhalten der Kinder steckt eine Emotion. Mahnungen wie «Hör doch auf so blöd zu tun» helfen dann nicht. Das Kind kann in dem Moment nicht anders handeln, da das Kind gefühlsgesteuert handelt und das Kind im Jetzt dieses Gefühl leben muss. Es kann nur unreflektiert dem Impuls folgen und reagiert mit seltsamen Verhalten: Füsse auf dem Tisch, schimpfend den Esstisch verlassen, maulen, beissen usw.

Verständnis zeigen und die Welt mit Kinderaugen sehen

Wenn Eltern in Welt der Kinder eintauchen und versuchen, die Situation aus Kindersicht zu sehen verändern sich oft die Erwartungen. Wenn sie die Interessen ihrer Kinder teilen, nachfragen und auch miterleben dann verändert sich auch die Dynamik der Situation. So werden sie Teil ihrer Welt und erleben, wie es ihren Kindern geht und was sie beschäftigt. So werden Eltern geduldiger, weniger gestresst und erkennen, was ihr Kind braucht, um dem Wunsch der Eltern nachzukommen (wie zum Beispiel den Fernseher auszumachen, wenn es Abendbrot gibt.)

Kinder üben Autonomie für ihr späteres Leben

Was vielen Eltern hilft, ist das Bewusstsein, dass ihr Kind mit jedem «Nein» nur Autonomie übt. Die Kinder sagen «Nein», um zu demonstrieren, dass sie unabhängig sind und frei entscheiden können. Dieses Verhalten sollte von den Eltern nicht überbewertet oder als persönlichen Angriff gewertet werden. Maren Tromm sagt zwinkernd: «Sagen sie ihrem Kind ruhig: Toll, mein Schatz, wie autonom du heute wieder bist.» Das heisst nicht, dass Eltern die Regeln oder Abmachungen vergessen sollten, aber die Umsetzung wird einfacher, wenn sie sich in Geduld üben.

Die eigene Angst zu versagen, steht vielen Eltern im Weg

Eltern fühlen sich häufig wütig, ohnmächtig, ärgerlich oder traurig, wenn sie ihr Kind anschreien oder laut werden müssen. Meist ist das der einzige Ausweg, den die Eltern in dem Moment sehen. Das Verheerendste für Eltern sind oft ihre eigenen Gedanken. Eine Kleinigkeit wie das Hinschmeissen der Jacke, kann im Kopf der Eltern viele negative Gedanken auslösen: Angst zu versagen, alles falsch zu machen, nicht richtig zu handeln, sich nicht respektiert fühlen usw. Das löst grossen Stress aus und führt zu Eskalation.

Doch wie kann man angemessen reagieren? Maren Tromm macht ein Beispiel wie es klingen könnte: «OK, ich merke, du hast einen schlechten Tag. Ich nehme die Jacke für dich auf, lasse dir Zeit und wir sprechen später darüber.» Das heisst, die Eltern nehmen die Gefühle des Kindes wahr, bieten einen sicheren Hafen, bleiben in Beziehung und zeigen Präsenz und Beharrlichkeit.

Eine Familie, viele Sichtweisen

Wichtig ist es auch, zu verstehen und immer im Hinterkopf zu behalten, dass die Welt für jedes Familienmitglied anders aussieht. «Auch das Matterhorn sieht von allen vier Seiten anders aus und so ist das auch bei Familienmitgliedern und ihrer Sicht auf die Welt», sagt Tromm.

Wenn Eltern verstehen, dass hinter jedem Verhalten eines Kindes eine Emotion steckt und dieses nicht als persönlichen Angriff oder bewusst provokantes Verhalten erkennen, wird es einfacher. So können sie gelassener bleiben und haben mehr Ausdauer.

Tipps für Eltern in schwierigen Situationen:

• Sich entkoppeln und sich innerlich mit dem Kind verbinden

• Benenne was du siehst und was das Kind fühlen könnte

• Gibt dem Kind Recht: «DU hast Recht! Für dich ist es so!»

• Schweigen (mind. 90 Sekunden und lächeln) und beobachten (1. Verantwortung abgeben und 2. Zeit für sich gewinnen)

• Handeln statt reden

• Umlenken, ablenken

• Dankbarkeit: Danke sagen und und und…

• Führen und klare Anweisungen geben

Buchtipps zum Nachlesen:

• Neue Autorität – das Geheimnis starker Eltern – Haim Omer

• Kindheit ohne Strafen – Katia Saalfrank

• Reise zu dir selbst – Katia Saalfrank

• Nein aus Liebe – Jesper Juul• STEP – Elternbuch – Trudi Kühn und Roxana Petcov

Zur Person:
Maren Tromm ist Einzel-, Paar-, und Familiencoach, seit vielen Jahren Elternkursleiterin und Mama von zwei Kindern. Seit über 30 Jahren interessiert sie sich für Menschen, Erziehung und Beziehungsthemen. Als ehemalige Improvisationstheaterschauspielerin ist Maren Tromm geübt auf Bühnen oder vor der Kamera zu stehen und Menschen zu motivieren, zu inspirieren, ihr Denken, Handeln und Fühlen zu verändern.

Wertvolle Links:
Was bedeutet «Neue Autorität» und wie kann dieses Konzept im Erziehungsalltag umgesetzt werden?
Übersicht über unsere Workshops