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Die Faszination der Mega-Influencer:innen

Sechsjährige, die auf YouTube Spielzeug, Spiele oder Apps testen. Zehnjährige, die bei Snapchat Einblicke in ihre Alltags- und Freizeitaktivitäten gewähren. Vierzehnjährige, die auf Instagram Mode- und Schminktipps geben. All das ist im Social Web längst nichts Ungewöhnliches mehr und die Zahl der entsprechenden Kanäle wächst, in denen Kinder auf diese oder ähnliche Weise mitwirken. Auch Gamer:innen gehören zu den populärsten Influencer:innen.

Wie der Name Influencer (zu deutsch etwa «Beeinflusser») schon sagt, versuchen diese Personen mit ihren Beiträgen in sozialen Netzwerken ihre Fans zu beeinflussen. Dazu gehören zum Beispiel TikTok, Instagram oder YouTube. Sie teilen oft ihr ganzes Leben mit ihren Follower:innen und vermarkten dabei Produkte und Dienstleistungen. Oft entsteht vor allem für Jugendliche schnell der Eindruck, ihre Vorbilder auch privat zu kennen.

Vorbild der Kleinen sind hier die ganz Grossen: Influencer:innen auf YouTube, Instagram, TikTok, Snapchat und co. Und so tun sie es ihren Stars gleich. Sogenannte Kinder-Influencer:innen halten Spiele, Bauklötze, Teddys oder Knete in die Kamera, denn das Schwärmen für Produkte ist ihr Geschäft. Bereits Kinder im Vorschulalter werden auf bestimmten YouTube-Kanälen speziell als Zielgruppe angesprochen.

Jugendliche in der Schweiz folgen vielen verschiedenen Influencer:innen. Die populärsten sind Squeezie, Mastu und Kylie Jenner. Zwei Drittel zählen zu den sogenannten Mega-Influencern, haben also mehr als eine Million Follower und sind auf Instagram, YouTube und TikTok aktiv. Dies zeigt der neuste JAMESfocus-Bericht der ZHAW-Fachgruppe Medienpsychologie und Swisscom. Die ZHAW-Forschenden analysierten die beliebtesten Influencer:innen der 12- bis 19-jährigen Jugendlichen in der Schweiz. Die Mehrheit der beliebtesten Influencer:innen sind männlich und zwischen 25 bis 30 Jahre alt. Die Inhalte sind dabei vielfältig und reichen von Daily Life und Comedy bis hin zu How to & Style, Musik & Tanz.

Chart aus JAMESfocus Studie zum Thema Influenzier

Bei der Auswahl favorisieren Mädchen und Jungen eher gleichgeschlechtliche Idole. Influencer wurden Überwiegend von Jungen (70 %) und Influencerinnen überwiegend von Mädchen (88 %) genannt. Am beliebtesten bei beiden Geschlechtern ist der französische Gamer und YouTuber Squeezie. Mädchen folgen zusätzlich am häufigsten Kylie Jenner und Léna Situations, während Jungen MontanaBlack und Cristiano Ronaldo favorisieren. «Die Entwicklung einer Geschlechteridentität gehört zu den Entwicklungsaufgaben in der Adoleszenz. Hierfür suchen sich Jugendliche oft Vorbilder desselben Geschlechts», sagt ZHAW-Medienpsychologin Lilian Suter. Geschlechterunterschiede zeigen sich auch in den Themenbereichen. Jungen mögen Inhalte zu Gaming, Comedy und Sport und Mädchen bevorzugen Schauspiel & Film, How to & Style sowie Musik & Tanz.

Auch die Plattform scheint einen Einfluss auf die Auswahl der Influencer:innen zu haben. Mädchen folgen eher Influencer:innen mit TikTok-Account, während Jungen ihren Vorbildern häufiger auf Twitch, Discord oder Facebook folgen. Auf Instagram oder YouTube aktive Influencer:innen wurden insgesamt ähnlich oft von Jungen und Mädchen genannt.

Neben dem Geschlecht beeinflusst auch die Sprachregion die Auswahl der Influencer:innen. Jugendliche in den verschiedenen Sprachregionen folgen mehrheitlich Personen, die Inhalte in ihrer Sprache veröffentlichen. So führt MontanaBlack das Beliebtheitsranking in der Deutschschweiz an, während Squeezie in der Romandie und Gaia Bianchi im Tessin am beliebtesten sind. Englischsprachige Influencer:innen machen in der Deutschschweiz rund ein Viertel, in der Westschweiz einen Fünftel und im Tessin einen Achtel der Nennungen aus.

Beeinflussung durch Influencer:innen

Die Orientierung an den Vorbildern inspiriert und motiviert Kinder und Jugendliche. Positive wie negative Beeinflussungen sind dabei möglich. Besonders kritisch wird meist auf die Werbung geschaut. Influencer lassen diese oft eher versteckt in ihre Posts und Videos einfliessen. Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet, die versteckten Werbebotschaften nicht als solche zu erkennen. So können Sie einfacher manipuliert werden.

Für die Werbeindustrie sind Influencer:innen besonders attraktiv, weil sie in ihrer Community eine hohe Glaubwürdigkeit und eher den Status von Freund:innen haben. Machen sie Werbung für ein Produkt, wird das von ihren Fans oft als Empfehlung von einer geschätzten Person wahrgenommen. Und während man auf klassische Werbung eher kritisch schaut, bewertet man Empfehlungen von Freund:innen deutlich wohlwollender.

Social Media sowie Influencerinnen und Influencer haben grossen Einfluss auf Selbstwahrnehmung

Soziale Netzwerke wirken sich auf die Selbstwahrnehmung aus und beeinflussen, ob man sich selbst schön findet oder nicht – dieser Meinung sind zwei Drittel der Jugendlichen (65 %). Insbesondere Mädchen (76 %) und Befragte ab 15 Jahren (78 %) stimmen dieser Aussage zu.

Vergleiche mit anderen spielen eine grosse Rolle – und diesen sind Jugendliche gerade im Internet stark ausgesetzt. Fast drei Viertel (71 %) der Jugendlichen bestätigen, dass die in sozialen Netzwerken konsumierten Bilder dazu führen, dass man sich mit anderen Personen vergleicht. Über ein Viertel (27 %) betont die negativen Folgen und gibt an, sich nach dem Scrollen durch die diversen Social-Media-Feeds schlecht zu fühlen. Vor allem Influencerinnen und Influencer aus den Bereichen Beauty und Fitness haben einen Einfluss auf Kinder und Jugendliche, meinen drei Viertel der Befragten (74 %). Rund die Hälfte (53 %) gibt an, aufgrund entsprechender Bilder schon einmal etwas am eigenen Aussehen geändert zu haben. Ebenso viele Jugendliche haben bereits Produkte gekauft, die von Influencerinnen und Influencern empfohlen wurden. 28 % haben sogar schon einmal über eine Schönheitsoperation nachgedacht.

«Positivity bias» hat einen negativen Einfluss auf das Wohlbefinden

Inhalte auf sozialen Netzwerken sind geprägt von positiven Darstellungen, die das Leben und Aussehen von anderen Personen in besonders günstigem Licht erscheinen lassen. Rund drei Viertel der Jugendlichen sehen häufig Beiträge, die Personen mit positiven Emotionen wie zum Beispiel Spass haben und glücklich sein oder attraktivem Erscheinungsbild zeigen. Wenn sich Kinder und Jugendliche zu häufg mit so positiven Bildern vergleichen, kann sich das negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Ältere Jugendliche und Mädchen nehmen tendenziell häufiger positive Inhalte wahr als jüngere Jugendliche und Jungen. Insbesondere Inhalte, die das attraktive Erscheinungsbild von Personen hervorheben, werden häufiger von Mädchen wahrgenommen. Die Person hinter einem Account ist für die Kinder wichtiger als der Inhalt. Damit gewinnt der Einfluss der Selbstdarstellung der Influencer an Gewicht.

Hinschauen ist wichtig!

Kinder und Jugendliche benötigen Unterstützung in der Schule und im Elternhaus. Nur so lernen sie, die Ziele und Handlungsweisen von Influencern und Influencer-Marketing richtig einzuschätzen. Ebenso brauchen sie Hilfestellung dabei, wie sie Informationen filtern und nach Relevanz und Wahrheitsgehalt bewerten können. Eltern sollten diese Wirkung im Auge zu behalten und sich aktiv mit den Kindern und Jugendlichen austauschen – zu schnell fallen sie auf die perfekten Influencer und ihre idealen Welten herein mit oftmals gravierenden gesundheitlichen Folgen. Diskutieren Sie mit Jugendlichen, warum sie bestimmte Influencer:innen toll finden und in welchen Bereichen diese Personen gute oder schlechte Vorbilder sind. Sprechen Sie auch über mögliche versteckte finanzielle Interessen von Influencer:innen und deren Einfluss auf die präsentierten Inhalte.

Wertvolle Links:

Workshop «Medienprofis»

Vortrag: Generation Always-on – Aufwachsen in einer digital geprägten Lebenswelt

Donnerstag, 22. Februar 2024
19.00 bis 21.00 Uhr
SAL, kleiner Saal, Schaan

Leitung: Daniel Betschart (Pro Juventute Schweiz) und Alexandra Schiedt (kinderschutz.li)
Durchgeführt von Stein Egerta (Sebastian Frommelt) in Zusammenarbeit mit kinderschutz.li und Pro Juventute Schweiz

Anmeldung unter: steinegerta.li

Die Veranstaltung ist für alle Teilnehmer:innen kostenlos.