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Was bedeutet «Neue Autorität» und wie kann dieses Konzept im Erziehungsalltag umgesetzt werden?

Die Neue Autorität wurde Ende der 1990er von Prof. Haim Omer (Psychologe und Autor) in Tel Aviv in Anlehnung an den gewaltlosen Widerstand von Mahatma Gandhi entwickelt. Es handelt sich dabei um einen systemischen Ansatz, der Personen mit Führungsverantwortung (Eltern, LehrerInnen, usw.) stärkt und ihnen wertvolle Möglichkeiten aufzeigt, um eine respektvolle Beziehungskultur und positive Entwicklungsprozesse zu initiieren.

Dieser Ansatz unterstützt Erziehungsverantwortliche darin «präsent» zu bleiben oder es wieder zu werden. Die Interventionen zielen darauf ab, die Bindung zu Kindern oder Jugendlichen zu erneuern und zu festigen. Damit unterscheidet sich die Neue Autorität von Kontrolle, Durchsetzung oder Macht, denn sie stellt die Verbundenheit in den Mittelpunkt. In der Kindererziehung erleben Eltern bzw. Begleitpersonen von Kindern und Jugendlichen oft grosse Unsicherheit in der Ausübung ihrer Rolle. Manchmal haben sie das Gefühl, über keine brauchbaren Mittel oder Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit destruktivem Verhalten von Kindern und Jugendlichen zu verfügen.

Genau hier setzt das Konzept der Neuen Autorität von Prof. Haim Omer an. Es lässt sich anschaulich durch 7 Grundsätze darstellen:

1. Präsenz & wachsame Sorge

Die Verantwortung für die Beziehungsqualität liegt bei den Erwachsenen, die im guten Kontakt mit sich selbst, den Kindern bzw. Jugendlichen respektvoll und achtsam begegnen sollten.

2. Selbstkontrolle & Eskalationsvorbeugung

Wir können andere nicht kontrollieren, nur uns selbst und können dabei entscheiden, wie wir auf Provokationen reagieren wollen. Wichtig ist auch Beharrlichkeit zu üben und die Möglichkeit Fehler korrigieren zu können anzuerkennen.

3. Unterstützungsnetzwerke & Bündnisse

Wir sind nicht allein! Daher ist es wichtig, Unterstützungen zu nutzen und Netzwerke aufzubauen.

4. Protest & gewaltloser Widerstand

Deutlich machen, dass wir entschlossen sind und das Kind/der Jugendliche uns wichtig ist, wir aber gewisse Verhaltensweisen nicht akzeptieren und eine Lösung wollen.

5. Versöhnung & Beziehung

Beziehungsstiftende Gesten, wertschätzende Rückmeldungen und Versöhnung begleiten etwaige Massnahmen bzw. die Missbilligung eines Verhaltens.

6. Transparenz

Den Kindern bzw. Jugendlichen offen und ehrlich begegnen, schafft Klarheit und begünstigt das Zusammengehörigkeitsgefühl.

7. Wiedergutmachungen

Hierbei handelt es sich um eine Alternative zu Strafen und Sanktionen! Wiedergutmachungsprozesse ermöglichen wichtige Einsichten, begünstigen konstruktives Verhalten und nehmen alle Beteiligten ernst.

Dieses Konzept kann ein guter Impuls sein, um sich ganz bewusst mit dem eigenen Verhalten und den eigenen Haltungen auseinanderzusetzen. Es kann helfen, das wichtige Ziel eines liebevollen und achtsamen Miteinanders nicht aus den Augen zu verlieren.

Tipps für Eltern

  • Sich bewusst Zeit für sich selbst und die Kinder nehmen: Rituale (Meditation, Spiel-, Lese-, Redezeiten) bewusst leben und dabei Ablenkungen wie z.B. das Handy vermeiden
  • Wir können unsere Kinder leider nicht kontrollieren, aber uns und dabei aktiv Möglichkeiten zur Selbstkontrolle und Deeskalation üben: bis 10 zählen, Durchatmen, den Raum kurz verlassen, wenn die Gefühle hochkochen
  • Sich regelmässig mit anderen Eltern austauschen oder auch Beratungsstellen nutzen
  • Auch wenn es manchmal anstrengend ist, beharrlich eine Lösung einleiten: «Ich bleibe nun in deinem Zimmer sitzen, bis wir eine Lösung gefunden haben, weil du mir wichtig bist und ich möchte, dass es dir und uns gut geht.»
  • Auch wenn es gerade Streit gibt, trotzdem liebevolle Gesten und Rückmeldungen beibehalten: «Auch wenn wir gerade uneins sind, sagen wir uns liebevoll gute Nacht und gehen freundlich miteinander um.»
  • Transparenz leben heisst, dass wir uns unseren Kindern gegenüber öffnen und sie an unseren Gedanken, Gefühlen und nächsten Schritten teilhaben lassen: «Ich bin gerade frustriert, dass du dich schon wieder nicht an die Abmachung gehalten hast. Ich muss mich nun beruhigen und werden wir das Thema klären.»
  • Wiedergutmachung bedeutet, dass nach einer Klärung bzw. Lösungsfindung eine Geste des guten Willens stattfindet: «Du hast das Spielzeug deines Bruders kaputt gemacht, entweder versuchst du es zu reparieren oder schenkst ihm eins von deinen.»

Buchempfehlungen für Eltern zum Thema «Neue Autorität»

  • Neue Autorität: das Geheimnis starker Eltern – Haim Omer und Philipp Streit
  • Nein aus Liebe – Jesper Juul
  • Kindheit ohne Strafen – Katia Saalfrank