Mobbing: Einer von vier Schülern ist Opfer
Die Fälle haben sich in den letzten Jahren vermehrt. Der Verein Kinderschutz.li lud am Dienstag zusammen mit dem TAK Theater Liechtenstein zu einem Informations- und Sensibilisierungsanlass mit Fachvortrag und Podiumsdiskussion ein.
Das TAK-Foyer in Schaan füllt sich immer mehr. Viele Leute sind anwesend – Lehrpersonen, Sozialarbeiter, Eltern, Kinder. Es geht um Mobbing und Cybermobbing, das Interesse an der Thematik ist sehr gross. Es ist ein Thema, das viele Menschen betrifft, wo doch ein Viertel aller Schüler Europas davon berichtet, im letzten Monat gemobbt worden zu sein. «Sei es als Täter, Opfer oder als Zuschauer», erzählt Referentin Eveline Gutzwiller-Helfenfinger, «Beim Mobbing kommt immer jemand zu Schaden.»
Mobbingrate steigt weiter an
Der Anlass am Dienstag wurde von Alexandra Schiedt, Präsidentin des Vereins Kinderschutz.li, moderiert. Den Anfang machte die Dozentin und Mobbingexpertin Eveline Gutzwiller-Helfenfinger mit einem Fachvortrag zur Sensibilisierung über das Thema Mobbing und Cybermobbing. «Es ist für mich ein Herzensthema», beginnt die Referentin ihren Vortrag. In den letzten Jahren sei die Mobbingrate gestiegen. Ob das tatsächlich an einer Gewaltzunahme oder doch an besserer Sensibilisierung und daher mehr gemeldeten Fällen liegt, kann nicht eindeutig aus den Daten geschlossen werden – wahrscheinlich eine Kombination beider Punkte.
Mobbing ist gezielte, aggressive und wiederholte Gewalt und dazu eine Verletzung der Kinderrechte. Denn alle Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Schutz vor Diskriminierung, vor körperlicher und psychischer Beeinträchtigung und auf Partizipation. Bei Mobbingfällen herrscht ein Machtungleichgewicht zwischen Täter und Opfer, welches immer wieder ausgenutzt wird, um eine Person fertigzumachen. Und «irgendwann verliert man die Stimme», wie Gutzwiller-Helfenfinger sagt.
Diskussion mit der Gewaltschutzkommission
Andreas Schädler von der Landespolizei und Schulinspektorin Stefanie Portmann vom Schulamt waren als Vertreter der Gewaltschutzkommission zur Podiumsdiskussion geladen. Ihre Kampagne «Worte verletzen. Auch online.» dient zur Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für das Thema Cybermobbing und zur Prävention.
Laut Portmann ist die Thematik Mobbing und Prävention fest im Lehrplan verankert und sollte im Unterricht behandelt werden. Zusätzlich arbeitet die Schulsozialarbeit in allen Schulen mit den Klassen zusammen und kann eine mögliche Ansprechperson darstellen.
Andreas Schädler betont, dass Cybermobbing seit 2019 auch in Liechtenstein strafbar ist – was vielen nicht bewusst ist. Es ist ein sogenanntes Offizialdelikt. Das bedeutet, dass die Polizei verpflichtet ist, zu ermitteln, sobald eine Meldung eintrifft. Bestraft werden kann diese Tat mit ein bis drei Jahren Gefängnis, je nachdem, welche Auswirkungen sie auf die betroffene Person hatte.
Für Betroffene ist es wichtig, sich an eine Vertrauensperson zu wenden. Das können Eltern sein, Lehrpersonen und Schulsozialarbeiter oder andere Beratungsstellen, wie zum Beispiel das Amt für Soziale Dienste, die Offene Jugendarbeit oder die Opferberatungsstelle für Kinder und Jugendliche. «Ich wünsche mir für die Kinder und Jugendlichen in Liechtenstein, dass sie Menschen um sich haben, für die sie wertvoll sind und die ihren Wert erkennen», gibt Stefanie Portmann den anwesenden Personen mit auf den Weg.
Internet: Erweiterung der Möglichkeiten
Neben dem herkömmlichen Offline- oder traditionellen Mobbing bereitet Kindern und Jugendlichen auch Cybermobbing Sorgen – das Mobbing im Internet. «Das Brutale ist, dass es 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche möglich ist», so Gutzwiller-Helfenfinger. Es gibt somit keine Pause für die Betroffenen, weil es einfach immer da und aktuell ist. Sei es ein Foto im Klassenchat oder ein Post in den Sozialmedien, mit einem Klick kann sehr schnell eine Menge von Leuten erreicht werden. Dazu kommt die Tatsache, dass Bilder-, Video- und Tonaufnahmen einfach zu bearbeiten und zu manipulieren sind. Laut einer Studie haben zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler bereits Erfahrungen mit Onlinemobbing gemacht, wobei sich dieses oft mit herkömmlichem Mobbing überlappe.
Unter Mobbing leiden nicht nur die Opfer
Ob Täter, Mitläufer, Zuschauer oder Opfer, Mobbing betrifft alle. Folgen wie Angst vor der Schule, Absenzen oder schlechtere schulische Leistungen treten nicht nur bei den direkt Betroffenen auf, sondern auch bei denen, die Mobbing in der Klasse mitbekommen.
Erwachsene wie zum Beispiel Lehrpersonen sind sich dieser Fälle oft nicht bewusst. Es ist wichtig, diese entsprechend zu schulen, sodass sie angemessen handeln können. Laut Eveline Gutzwiller-Helfenfinger ist ein gutes Schulklima, das den Schülerinnen und Schülern Halt und Unterstützung bietet, sehr wichtig und wirkt präventiv. Das Thema Mobbing müsse nachhaltig und systematisch an den Schulen behandelt werden, ein einmaliges Projekt oder ein Vortag dazu sei nicht genug. Prävention ist wichtig, denn laut Eveline Gutzwiller-Helfenfinger gilt: «Wenn es keine Täter gibt, gibt es kein Mobbing.»
Ein Text von Jael Hollenstein
Foto von Nils Vollmar
Wertvolle Links:
Kampagne «Worte verletzen. Auch online»
Workshop «Mobbing verstehen und vorbeugen»
Workshop «(Cyber-)Mobbing erkennen und nachhaltig verhindern»
Schwerpunktthema «(Cyber-)Mobbing»