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Als Gruppe zusammenfinden und wachsen

Der dreiteilige Workshop «Als Gruppe sind wir unschlagbar» hat zum Ziel, den Zusammenhalt in der Gruppe zu stärken und ein achtsames Miteinander zu leben. Ein Thema, das die Klasse einer weiterführenden Schule, die die Workshopleiterin Alexandra Schiefen besucht, speziell beschäftigt. Die Klasse wurde aus unterschiedlichen Klassen neu gemischt und muss sich nun wieder als Gruppe finden.

Alexandra Schiefen tauscht sich bereits vor dem offiziellen Gong am frühen Morgen zum Anfang der Stunde mit den Schülerinnen und Schülern aus. Sie ist interessiert, fragt nach Berufswünschen, wie es ihnen in der Klasse geht und erinnert sich an Gespräche von den letzten Zusammentreffen. Die Jugendlichen geben anfangs noch zögerlich Antwort, tauen aber von Minute zu Minute auf.

Zu Beginn der Stunde lobt sie die 12 Jugendlichen und bedankt sich für die konstruktive Mitarbeit der letzten Male. Workshopleiterin Alexandra Schiefen ist an diesem Vormittag zum dritten Mal in der Klasse. Das Ziel an diesem Tag ist es, wie die Einhaltung der zuvor gemeinsam vereinbarten Regeln gewährleistet werden kann.

Erwünschtes Verhalten belohnen anstatt unerwünschtes Verhalten bestrafen

Im Nachgang zum Thema «Regeln» fragt Alexandra Schiefen die Klasse: «Was ist das Ziel von Gesetzen? Wieso brauchen wir sie im Zusammenleben?» Eine Schülerin meldet sich und sagt: «Ohne Gesetze gibt es Chaos.» Alexandra Schiefen greift das Thema weiter auf und fragt: «Wäre es möglich, dass man, anstatt unerwünschtes Verhalten zu bestrafen, erwünschtes Verhalten belohnt?» Die Klasse muss darüber nachdenken. Man spürt, das ist ein neuer und ungewohnter Ansatz für die jungen Menschen. Die Jugendlichen möchten nicht bestraft werden und entscheiden sich gemeinsam, dass ihre aufgestellten Klassenregeln nach dem Prinzip der positiven Bestärkung funktionieren sollen und nicht mit Hilfe eines Bestrafungssystems.

Im Laufe des Workshops stellt sich dann die Frage: Wer übernimmt die Verantwortung dafür, dass die gemeinsamen Regeln auch eingehalten werden? Zwei Mädchen melden sich sofort und erklären sich dazu bereit, diese Aufgabe der Regelwächterinnen zunächst zu übernehmen. Ihnen ist es wichtig, dass mehr Harmonie in die Klassensituation einkehrt.

Rücksicht und Verständnis füreinander

Jetzt geht es um die Definition: Was ist ein Regelbruch? Ist eine Rangelei unter Kollegen schon ein Regelbruch oder erst, wenn es scheinbar ernst wird? Es wird diskutiert, wie man dies erkennen kann. Auch wird thematisiert, ob man jemanden zwingen kann sich zu entschuldigen und was eintritt, wenn er oder sie das gar nicht ernst meint. Alexandra Schiefen lässt die Klasse darüber sprechen und gibt ihnen Raum für ihre Beispiele und Vorstellungen. Jedes Mitglied der Klasse spürt, dass es Rücksichtnahme, Verantwortung und gegenseitiges Vertrauen braucht, damit die Gruppendynamik funktioniert.

Das eigene Gefühl und die Wahrnehmung der anderen

Alexandra Schiefen möchte mehr über die Gruppendynamik wissen und legt zu diesem Zweck ein Seil aus. Die Klasse mit vier Mädchen und acht Jungen verteilt sich auf beiden Seiten des Seils. Alexandra stellt Fragen, wenn die Frage bejaht wird, dann bewegt man sich zum Seil.

  • Wer ist der Klassenclown?
  • Wer ist ein:e Aussenseiter:in?
  • Wer fühlt sich als Sündenbock?
  • Wer ist der oder die Anführer:in?

Es entstehen ganz spannende Momente, die auch für die jungen Menschen selbst unerwartete Ergebnisse hervorbringen. Der Jugendliche, der sich als Aussenseiter fühlt, empfängt zum Beispiel sofort das Echo, dass dies nicht so ist und er sich nicht so fühlen muss. Der Klassenclown hingegen wird einstimmig von allen gleich bestimmt, obwohl er zuerst den Schritt nach vorne nicht wagt. Bei der Frage nach der Anführerin bewegt sich niemand und schlussendlich stellt sich raus, dass für alle Jugendliche ihre Lehrperson als Anführerin gilt.

Im zweiten Teil dieser Übung will Alexandra herausfinden, wie der Findungsprozess der Klasse sich entwickelt hat.

  • Hat sich seit dem letzten Mal was verändert?
  • Möchten alle noch die Klasse wechseln?
  • Wer glaubt, dass er oder sie die eigenen Gefühle mitbestimmen kann?
  • Wer bestimmt, wie man sich in der Klasse fühlt?

Offen miteinander reden und unangenehme Situationen ansprechen

Als weitere Aufgabe erarbeiten die Jugendlichen eine Liste mit positiven Verstärkungen, die bei Einhaltung der von ihnen aufgestellten Regeln stattfinden können. Dafür arbeiten sie in Dreiergruppen. Den Jugendlichen fällt es schwer, eine positive Bestärkung zu benennen, da sie scheinbar gewohnt sind, bei Nichteinhaltung von Regeln eine Bestrafung zu bekommen. Alexandra diskutiert abwechselnd mit den Dreiergruppen, fragt nach, gibt Inputs und sucht Beispiele mit ihnen.

Im Anschluss diskutiert die Klasse über mögliche Belohnungen: Ausflug, Film schauen, ein Spiel zum Abschluss der Woche, gemeinsam frühstücken.

Letztendlich haben sie ihre Klassenregeln, ihre positiven Verstärkungen, die Verantwortlichen für die Überwachung der Einhaltung definiert. Die Klasse benötigt nun noch ein System, um die Umsetzung praktikabel zu machen. Sprich, wie viele Verwarnungen eine Person haben darf, bis die ganze Klasse einen Strich erhält. Alle einigen sich, dass jede und jeder drei Verwarnungen pro Woche haben darf, anschliessend gibt es dann einen Strich für die Klasse. Hat die Klasse am Ende der Woche mehr als 13 Striche, wird die zuvor definierte Belohnung gestrichen.

Die Klasse erkennt auch, dass es natürlich passieren kann, dass ein einzelner «Störenfried» die Belohnung für die ganze Klasse riskiert. Wie können sie dann mit so einer Situation umgehen? Sie wollen in solchen Momenten das Gespräch suchen, ehrlich miteinander sein und sich gegenseitig darauf hinweisen, was für die ganze Klasse auf dem Spiel steht. Das Verhalten eines jedes einzelnen beeinflusst nun alle und sie haben ein gemeinsames Ziel.

Ein gemeinsames Ziel als Motivation

Alexandra schliesst diesen Workshop-Vormittag mit einer Fragerunde ab. Im Kreis erzählt jede und jeder, was besonders toll war, was sie gelernt haben und machen der Nachbarin oder dem Nachbarn ein Kompliment. Die Feedbacks sprechen für sich und auch die Klassenlehrperson freut sich sichtlich, dass die Klasse einen Weg gefunden hat respektvoller und harmonischer miteinander umzugehen.

Die Jugendlichen haben im mehrteiligen Workshop verstanden, warum Regeln wichtig sind und diese zu ihren Gunsten nützlich sind: «Es stärkt die Klasse, wenn wir Belohnungen und nicht Bestrafungen definieren.» Sie scheinen sich auch noch besser kennengelernt zu haben und können mehr Verständnis füreinander aufbringen: «Die Übung mit dem Seil war sehr hilfreich. So weiss man, wer welche Rolle in der Klasse hat und wer was mag.» Sie sind motiviert und fühlen sich dank der wertvollen Tipps von Alexandra Schiefen gut ausgerüstet, um Schritt für Schritt gemeinsam als Gruppe zusammenzuwachsen.

In ein paar Monaten wird Alexandra Schiefen bei der Klasse nachfragen, wie es ihnen mit den erarbeiteten Klassenregeln geht, wann es leichter oder schwerer fällt und was sie nachhaltig aus der Workshopreihe des Vereins Kinderschutz.li mitgenommen haben.

Wertvolle Links:

Workshop «Als Gruppe sind wir unschlagbar»
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