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Lasst uns die Helden unserer Kinder sein

Auch in Liechtenstein haben wir in den letzten Jahren eine Zunahme der Suchtproblematik beobachtet. Immer öfter und jünger greifen Kinder und Jugendliche zu Alkohol, Cannabis, Ritalin, Xanax und mehr – aus Langeweile, aus Spass, als Ausweg, aus Stress oder einfach wegen des Kicks. Das Ausmass, die Gefahren und Auswirkungen sind den Jungen und Eltern oft nicht bewusst.

Eltern sind häufig überfordert, ohnmächtig, wissen nicht, ob und wie man das Thema an­spre­chen soll. Deshalb spricht der Verein Kinderschutz darüber. Die Veranstaltung «Auf der Suche nach dem Kick?!» hat die Öffentlichkeit zum Mitdiskutieren eingeladen.

Kinderschutz ist mehr als Zahlen oder Statistiken

Der Verein Kinderschutz hat sich zum Ziel gesetzt, Kinder, Eltern und Schulen in Liechtenstein stark zu machen. Stark sein heisst resilient, selbstbewusst, kommunikativ, konfliktfähig, tolerant, aufgeklärt und sozial kompetent sein. Diese Kompetenzen versucht der Verein gemein­sam mit Partnern in Workshops und Veranstaltungen zu vermitteln, denn Kinderschutz ist mehr als Zahlen oder Statistiken. Kinderschutz bedeutet, dranzubleiben, aufmerksam zu sein und nicht nachzulassen.

Die Pandemie verstärkt das Suchtverhalten bei Kindern und Jugendlichen

Die Pandemie hat uns zuletzt als Gesellschaft, Eltern, Lehrpersonen, Therapeuten und politische Entscheidungsträger vor neue grosse Herausforderungen gestellt. Der Nachwuchs hat in dieser Zeit stark gelitten. Einsamkeit, Angst und der Wegfall der Freunde, des Alltags haben bei vielen nachhaltig Spuren hinterlassen. Nicht nur darum, aber dennoch gab es in den vergangenen zwei Jahren Zunahmen im Bereich der häuslichen Gewalt, psychischen Erkrankungen, Angststörungen, Depressionen, Essstörungen und auch des Drogenkonsums.

Als Süchtiger von der «Gasse» zurück ins Leben

Als ersten Gast des Abends begrüsste Moderator Matthias A. Brüstle Fabian Florin, erfolgreicher Graffiti Künstler aus Chur. Der 39-Jährige mit dem Künstlernamen Bane blickt auf eine Vergangenheit zurück, die von Drogensucht und Beschaffungskriminalität geprägt war. Fabian Florin wuchs wohlbehütet in Chur auf, suchte jedoch bereits im jungen Kindesalter Grenzen, die ihm nicht aufgezeigt wurden. Er rutscht mit 14 Jahren in die Drogen ab und konsumiert, alles, was es zu dieser Zeit auf dem Markt gab. Bei Fabian Florin kam die Sucht schleichend. Er lernte schnell wie er verheimlichen und lügen kann und wurde zum Junkie, der auf der Strasse lebte. Seine Familie hat damals alles unternommen, um ihm zu helfen, doch sie kamen nicht gegen die Sucht an. Fabian Florin betont, dass eine süchtige Person nicht das einzige Opfer der Sucht ist. Das ganze Umfeld wird in Mitleidenschaft gezogen. Als Fabian Florin mit 28 Jahren zu dreieinhalb Jahren Gefängnis ver­urteilt wurde, machte ihm das Amt für Justizvollzug das Angebot, er könne sich stattdessen für eine Langzeittherapie entscheiden. Er entschied sich für den Neustart im Neuthal – einem Zentrum zur Suchtbehandlung im Zürcher Oberland. Fabian Florin hat den schweren Weg aus den Drogen geschafft und engagiert sich heute stark in der Präventionsarbeit bei Kindern und Jugendlichen. Mit seiner Geschichte schafft er es, aufzuwecken und auf die Gefahren der Sucht aufmerksam zu machen.

Drogen werden im Internet gekauft

Im vergangenen Jahr verzeichnete die Landespolizei im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln einen Zuwachs von über 30 Prozent. Ein Drittel der Tatverdächtigen war minderjährig. Was die Arbeit der Polizei heute erschwert, ist, wie die Drogen beschafft werden. Jugendliche können sich die Drogen über das Internet bestellen und nach Hause liefern lassen. Die Arbeit hat sich dadurch stark verändert. Bei der Kriminalität in Zusammenhang mit Drogen auf der Strasse ist für Daniel Meier von der Landespolizei erschreckend, wie gewaltbereit die Jugendlichen sind. Es kommt immer wieder zu schweren Körperverletzungen und Raubüberfällen. Daniel Meier betont, dass das Ziel der Polizei nicht sei, jemanden festzunehmen, anzuzeigen und wegzusperren, sondern ihm vielmehr die Augen zu öffnen und zu intervenieren, sprich auch Präventionsarbeit zu leisten. Ein Jugendlicher, der mit Drogen erwischt wird, soll erkennen, was er damit anrichtet, wie sehr er sich selbst schadet und wie er in Zukunft einen neuen, besseren Weg einschlägt.

Mehr Mut von der Gesellschaft gefordert

Oft wird versucht, die Drogenproblematik aus dem öffentlichen Raum und damit aus dem kollektiven Bewusstsein zu verbannen, gelöst wird sie dadurch aber nicht. Prävention findet in der Familie statt und so ist Psychologin und Therapeutin Marie-Therese Gehring überzeugt, dass Eltern wichtige Akteure sind. Sie sind Vorbilder und sie haben die Möglichkeit und die Pflicht, mit Jugendlichen in den Dialog zu gehen. Das heisst zum Beispiel zuhause über das Thema Drogen zu sprechen, zu erklären, warum man ein Glas Wein trinkt oder die Wirkung von Medikamenten und deren Nutzen aufzuzeigen. Kinder teilhaben lassen und sie aufklären. Eltern müssen aber nicht perfekt sein. Viel wichtiger ist das Interesse der Eltern an ihren Kindern und die Beziehung zu ihnen zu leben und zu fördern. Das Vertrauen bildet sozusagen die Grundlage für Prävention.

Hinschauen und Offensive zeigen

Drogenkonsum verändert sich. Heute greifen Jugendliche zu anderen Drogen als noch vor 20 Jahren, die Beschaffung erfolgt über andere Weg und der Drogenkonsum verlagert sich in den privaten Raum. Für die Prävention ist daher wichtig, dass die ganze Gesellschaft einen wichtigen Teil dazu beitragen kann. Wir müssen nicht mehr länger weg-, sondern hinschauen, den Mut finden, Offensive zu zeigen, Probleme ansprechen, sich damit auseinandersetzen und sich dann trauen, diese anzupacken.

Im Vorfeld der Veranstaltung hat der Verein Kinderschutz.li mehrere Artikel zum Thema Prävention bei Kindern und Jugendlichen veröffentlicht.

Downloads:
Artikel über die Veranstaltung «Auf der Suche nach dem Kick?!» im Vaterland vom 05. November 2021: Lasst uns zu Helden unserer Kinder werden

Interview im Vaterland vom 02. November mit Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Nadine Hilti und Präsidentin vom Verein Kinderschutz.li Alexandra Schiedt : Die Flucht in einen Rausch als Ausweg

Porträt des Monats im KUL November 2021: Fabian Florin – Vom Junkie zum Künstler.

LIEWO-Artikel vom 31. Oktober 2021: Alarmierend: Drogenkonsum während der Pandemie weiter gestiegen

Interview im Vaterland vom 19. Oktober 2021 mit Fabian Florin alias «Bane»: Vom Drogendealer zum Graffitikünstler

Artikel im Vaterland vom 25. September 2021: Wir haben sehr wohl ein Drogenproblem