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Jubiläums-Information zum Thema sexueller Missbrauch

Was ist sexueller Kindesmissbrauch? Und wie können wir unsere Kinder davor schützen?

Sexueller Missbrauch ist jede sexuelle Handlung, die an Mädchen und Jungen gegen ihren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können.

Es ist nicht einfach, den Gedanken zuzulassen, dass Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht werden. Die Vorstellung ist unangenehm und wir schieben den Gedanken daran leicht weg. Aber Kinder können sich nicht allein schützen.
Es ist unsere Verantwortung als Erwachsene, etwas zu unternehmen, wenn wir einen Verdacht haben. Sexuelle Gewalt kann überall und jederzeit passieren. Auch in unserer Nähe!

Was ist sexuelle Gewalt?
Kinder unter 14 Jahren können sexuellen Handlungen grundsätzlich nicht zustimmen, weil ihre Entwicklung sexuelle Selbstbestimmung noch ausschliesst. Deshalb sind diese Handlungen immer sexuelle Gewalt, selbst wenn sie sagen, dass sie damit einverstanden sind oder ein Täter oder eine Täterin das so interpretiert. Dabei nutzen Täter und Täterinnen ihre Macht gegenüber Kindern und Jugendlichen aus. Sexuelle Gewalt kann jederzeit und überall ausgeübt werden, die meisten Taten passieren jedoch in unserer unmittelbaren Nähe, durch Menschen, die die Kinder gut kennen: in der Familie, Schule, im Freundeskreis in der Nachbarschaft oder bei Freizeitaktivitäten.

Sexueller Missbrauch beginnt dort, wo jemand bewusst die körperlichen und sexuellen Grenzen eines Kindes oder einer*s Jugendlichen missachtet und überschreitet. Das können anzügliche Bemerkungen oder mehrdeutige Nachrichten sein, ein gezieltes Starren auf den Intimbereich, den Po oder die Brust, sexualisierte Gesten und Geräusche. Dazu gehören konkrete Handlungen wie Zungenküsse, sich entblößen oder masturbieren vor Minderjährigen, Pornografie zeigen, sexuelle Handlungen vor der Webcam erzwingen, Geschlechtsteile des Kindes oder von Jugendlichen betasten, das Eindringen in Körperöffnungen, sei es mit dem Penis oder Gegenständen. Unabhängig davon, wie schwerwiegend die Handlungen sind, ob sie online oder offline stattfinden: Sexuelle Gewalt ist ein Angriff auf die ganze Person des jungen Menschen, auf sein Grundvertrauen.

Versehentliche Grenzverletzungen, die jeder und jedem einmal passieren können, sind noch keine sexuelle Gewalt. Beispiel: Jemand betritt, ohne anzuklopfen das Bad und überrascht ein nacktes Kind beim Duschen. Auch solche Grenzverletzungen können für Betroffene verletzend oder beschämend sein. Deshalb ist es wichtig, die Verantwortung zu übernehmen, um Entschuldigung zu bitten und Wiederholungen zu vermeiden.

Wie erkenne ich sexuelle Gewalt?
Es gibt keine eindeutigen Anzeichen. Betroffene reagieren sehr unterschiedlich auf diese belastenden Erfahrungen. Manche Reaktionen fallen Eltern und anderen Bezugspersonen auf.

Mögliche Anzeichen:

  • Das Kind oder die/der Jugendliche verhält sich ganz anders als früher.
  • Viele schlafen schlecht und sind morgens nicht ausgeschlafen.
  • Einige werden sehr ängstlich und ziehen sich in sich zurück.
  • Andere teilen aus, tun anderen weh, um ihre Ohnmachtserfahrung auszugleichen.
  • Manche können sich nur noch schwer konzentrieren und bekommen Probleme in der Schule.
  • Wieder andere versuchen, alles richtig zu machen und verhalten sich sehr unauffällig.
  • Viele Kinder und Jugendliche werden krank. Sie leiden beispielsweise an Kopf- oder Bauchschmerzen, entwickeln Hauterkrankungen oder schlafen nur noch schlecht.
  • Manche Jugendliche verletzen sich selbst.
  • Andere essen nur noch sehr wenig oder viel zu viel. Andere nehmen Drogen, trinken Alkohol oder entwickeln andere Süchte.

Jede dieser Auffälligkeiten kann selbstverständlich auch andere Ursachen haben. Wichtig ist, dass Erwachsene sexuelle Gewalt überhaupt als mögliche Ursache miteinbeziehen. Nur dann haben Kinder und Jugendliche eine Chance auf Hilfe.

Welche Formen digitaler sexueller Gewalt gibt es?
Kinder wachsen mit digitalen Medien auf und nutzen diese täglich. Sie lernen damit soziale Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, sich kreativ auszudrücken, eigene Identitäten entwickeln und sich zu informieren. Doch zu den Risiken, denen Kinder im Internet ausgesetzt sind, gehört auch digitale sexuelle Gewalt. Diese kann in verschiedenen Formen auftreten:

  • Sexuelle belästigende Kommunikation: Kinder oder Jugendliche werden durch Direktnachrichten und/oder Kommentaren unter den eigenen Posts, Storys oder Live-Streams auf Sozialen Medien wie TikTok oder Instagram sexuell belästigt. Das reicht von zweideutigen Bemerkungen bis hin zu expliziten Anfragen oder dem unerwünschten Zusenden sexueller Bilder (z.B. Dickpics).
  • Missbräuchliches Sexting: Der Austausch intimer Bilder und Videos wird als „Sexting“ (zusammengesetzt aus „Sex“ und „Texting“) bezeichnet. Zu sexueller Gewalt wird Sexting, wenn Kinder ungefragt Nacktfotos zugeschickt bekommen oder wenn sie verleitet werden, (Nackt-)Fotos von sich zu erstellen oder zu senden. Wenn solche Bilder weiterverbreitet werden, etwa in Klassenchats, ist dies ebenfalls sexuelle Gewalt.
  • Sextortion: Kinder werden erpresst, nachdem sie intime Aufnahmen verschickt haben. Täter und Täterinnen drohen, diese Bilder zu teilen oder zu veröffentlichen, wenn nicht weitere Aufnahmen oder Geld bereitgestellt werden.
  • Cybergrooming: Das englische Wort „Grooming“ bedeutet „Striegeln“. Beim Cybergrooming nähern sich Erwachsene Kindern online über harmlos wirkende Gespräche an, oft mit Fake-Profilen. Ziel ist es, Vertrauen aufzubauen, um später sexuelle Handlungen einzufordern, entweder digital oder bei einem realen Treffen.
  • Pornografie und Missbrauchsdarstellungen: Kinder werden unfreiwillig mit pornografischen Inhalten konfrontiert oder selbst als Objekte in Missbrauchs-darstellungen verwendet. Auch Fotos, die von Kindern selbst angefertigt und online verbreitet werden, zählen dazu. Sie gelten strafrechtlich als kinderpornografisches Material, dessen Verbreitung, Erwerb und Besitz ist strafbar.

Kann es nicht auch sein, dass Kinder sich das ausdenken?
Hinter dieser Frage steht die verständliche Hoffnung, dass sexuelle Gewalt vielleicht doch nicht stattgefunden hat. Denn wenn es stimmt, was ein Kind oder ein*e Jugendliche*r mitteilt, ist nichts mehr, wie es war. Dieser Gedanke löst bei fast allen Menschen krisenartige Gefühle aus.

Wichtig zu wissen ist: Sexuelle Handlungen von Erwachsenen gehören nicht zur Erfahrungswelt von Kindern. Deshalb ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie sich dazu Geschichten ausdenken oder Fantasien entwickeln. Lügen und Fantasie sind für Kinder normalerweise Versuche, um sich aufzuwerten, sich wichtig zu machen. Weil sexuelle Gewalt aber mit Demütigung und Beschämung zu tun hat, denken sich Kinder solche Ereignisse meist nicht aus. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass sie eine andere Person als den oder die Täter oder Täterin benennen, vielleicht um nahestehende Täter/Täterinnen zu schützen oder weil sie Angst haben. Auch können einzelne Teile von Schilderungen fehlerhaft sein, aber die Angaben dennoch im Kern stimmen.

Jugendlichen Betroffenen wird häufig eine Mitschuld unterstellt und/oder sie werden stigmatisiert. Deswegen sind es auch bei Jugendlichen die allerwenigsten, die Situationen erfinden, um Erwachsenen Schaden zuzufügen.

Jugendliche wie Kinder, die ja oftmals grosse Hürden überwinden müssen, um sich mitzuteilen, haben es verdient, dass wir ihnen glauben, ihnen also gerade nicht reflexhaft mit Unglauben begegnen. Die Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, ist einer der Gründe, warum sich viele für Schweigen entscheiden.

Was können wir tun?
1. Hinsehen, zuhören, nachfragen: Glaub Kindern oder Jugendlichen, wenn sie etwas erzählen, hör gut zu und frag behutsam nach.
2. Beraten lassen: Tue nichts Unüberlegtes, wenn du unsicher bist, hol dir Rat z.B. in einer Beratungsstelle kinderschutz@ifs.at, +423 236 72 27
3. Sprich darüber: Informiere dich und rede mit anderen über Missbrauch und wie Kinder und Jugendlich geschützt werden können.

Wir möchten das Bewusstsein für die Bedeutung von Prävention gegen sexuelle Gewalt in der Gesellschaft schärfen, um die Basis für eine gesunde und glückliche Zukunft für alle Kinder und Jugendlichen zu legen.
Unsere Kinder stark zu machen, ist eine gesellschaftliche Verantwortung, denn Kinderschutz geht uns alle an.