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Kinder mit WingTsun stark machen!

Niko Grammenidis engagiert sich seit 2015 gemeinsam mit dem Verein Kinderschutz.li für starke Kinder. Er ist Meister der chinesischen Kampfkunst WingTsun. Im Workshop «Ich bin stark!» lernen die Kinder und Jugendlichen, sich kraftvoll zu positionieren und zu behaupten. Sie können sich selbst und auch andere in möglichen Konfliktsituationen stärken, unterstützen oder, wenn nötig, Hilfe holen.

Niko, wie unterscheidet sich WingTsun von Selbstverteidigung?

Selbstverteidigung und WingTsun sind dasselbe, es gibt keinen Unterschied. WingTsun ist eine kluge Art der Selbstverteidigung und Selbstbehauptung. Unter Selbstbehauptung versteht man die nicht-körperliche Verteidigung gegen nicht-körperliche Angriffe. Unter Selbstverteidigung versteht man die Vermeidung und die Abwehr von Angriffen auf die seelische oder körperliche Unversehrtheit eines Menschen.

Oft vermitteln die Worte «Kampfsport» oder «Kampfkunst» nicht das richtige Bild in den Köpfen. Es geht darum, zu lernen, wie man Grenzen setzen kann, wie man sich klug verteidigt und wie man sich so lange wie möglich ohne Gewaltanwendung behaupten kann.

Wie bist du zu WingTsun gekommen?

Bereits als Jugendlicher war ich in Triesen bei einer Probelektion und fand Selbstverteidigung schon damals sehr spannend. Ich war schon als Kind ein kleiner Ninja (lacht). Leider war mir die Zeit mit meinen Kollegen damals noch zu kostbar und ich habe mich nicht für den Kurs eingeschrieben.

Nach Abschluss meiner Lehre, mit ca. 19 Jahren, bin ich in der Zeitung auf ein Kursinserat zum Thema «Selbstverteidigung» gestossen und das Interesse war sofort wieder geweckt.

Ich habe mich angemeldet und seit diesem Zeitpunkt nie mehr aufgehört, WingTsun zu trainieren. Sieben Jahre nach meinem ersten Training gehörte die Schule, bei der ich angefangen habe, mir und heute bin ich Sifu, sprich Meister der Kampfkunst.

Seit wann engagierst du dich für starke Kinder?

Seit 2015 arbeite ich mit dem Verein Kinderschutz.li. Seit dieser Zeit biete ich auch Kinder-Workshops an. Damals hat der WingTsun-Verband eine Gewaltpräventionsprogramm für Kinder gestartet und ich habe sofort mitgezogen und es in meiner Schule angeboten. Das Modul «Ich bin stark!» für den Verein Kinderschutz.li hat mir gezeigt, was Erstaunliches aus einem Kind herauskommen kann, wenn es lernt, seine Kraft zu bündeln und klug einzusetzen.

Was erleben die Kinder im Workshop «Ich bin stark!»?

Die Kinder lernen, sich lauthals zu behaupten und sich zu trauen, sich zu melden. Ich sage immer: Melden ist kein Petzen! Sich melden ist Schülerpflicht.

Es gibt verschiedene Arten, wie ich mich behaupten kann. Diese möchte ich den Kindern zeigen. Zu Beginn erzähle ich ihnen meist eine Geschichte: «Stellt euch vor, ich bin ein komischer Typ und komme auf euch zu. Was macht ihr?». Die Antworten sind jeweils sehr unterschiedlich. Ich zeige ihnen verschiedene Lösungsansätze auf, was man in einer solchen Situation tun kann und übe diese mit den Kindern. So lernen sie, wie sie im Alltag mit unangenehmen, bedrohlichen und unguten Situationen umgehen, sprich sich behaupten können.

Wir Erwachsenen müssen uns bewusst sein, man kann mit Kindern über Bedrohungen, Gewalt in verschiedenen Formen und Verteidigung sprechen und ihnen einen Zugang vermitteln, ohne dass es negativ behaftet ist. Sie lernen die Unterschiede von verschiedenen Notwehrsituationen und wissen, wie sie sich klug wehren können.

Natürlich muss man auf das Wesen des Kindes eingehen. Wenn ein Kind keine Scheu hat, sich körperlich zur Wehr zu setzen, übe ich eher Situationen, in denen die Kinder verbal von einem Platz weggelockt werden oder in ein Gespräch involviert werden und so nicht mehr achtsam sind. Einem sehr scheuen Kind zeige ich, dass es sich wehren darf. Sei es körperlich oder durch Stimme erheben.

Wir haben Niko Grammenidis zum Interview getroffen und mit ihm über seinen Werdegang, WingTsun und den Workshop gesprochen.

Was für ein Ziel hat der Workshop «Ich bin stark!»?

Für eine langfristige Stärkung des Selbstbewusstseins braucht es ein regelmässiges Training über eine längere Zeit, jedoch nehmen die Kinder bereits nach dem Workshop «Ich bin stark!» sehr viel mit. Das Ziel ist es, dass ein Kind in Extremsituationen, das Gelernte abrufen kann und sich so vor Übergriffen schützen kann.

Damit so viel wie möglich in den Köpfen bleibt, habe ich bestimmte Lernziele wie «Selbstbehauptung durch Stimme erheben» oder «Airbag». Das sind Stichwörter, die sich in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen verankern. So bedeutet Airbag zum Beispiel, wie beim Auto der Airbag, schütze ich mich mit meinem Körper gegen allfällige Angriffe/Schläge.

Damit die Kinder verstehen, was Prävention ist, sage ich oft:
«Du lernst schwimmen, damit du nicht ertrinkst. Und so lernst du hier, dich zu verteidigen, damit du keine Gewalt erlebst.»

Achtsamkeit ist ein wichtiger Aspekt im WingTsun!

Ja, Achtsamkeit ist eine der sieben grossen Fähigkeiten im WingTsun. Achtsamkeit bedeutet, dass ich weiss, was um mich herum los ist, ich nehme mein Umfeld und die Geschehnisse war, ich bin parat für mögliche Szenarien. Ich bin bei der Sache und fokussiert. Das üben wir stark im Workshop.

Wie schätzt du das Gewaltpotenzial der heutigen Gesellschaft ein?

Gewalt hat es immer schon gegeben. Sei es zwischen Kindern oder auch von Erwachsenen gegenüber Kindern. Wichtig ist, dass wir so viel wie möglich zur Prävention von Gewalt beitragen. Heute erlebe ich ein hohes Gewaltpotenzial an Schulen und unter Kindern. Die Brutalität ist teilweise extrem und dazu zähle ich auch Themen wie (Cyber-)Mobbing. In dem ich den Kindern vermittle, dass sie sich wehren und sich melden dürfen und ihnen eine kluge Art der Verteidigung beibringe, lernen sie, dass körperliche Verteidigung nichts Schlechtes ist und man für sich selbst einstehen darf, wenn es nötig ist.

«Ich zeige den Kindern und Jugendlichen, dass unnötige Gewalt fehl am Platz und uncool ist, aber die Verteidigung der eigenen seelischen oder körperlichen Unversehrtheit völlig in Ordnung ist.»

Vielen Dank für das Gespräch, Niko!

Wertvolle Links:

Workshop «Ich bin stark!»
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